Der Zahn der Zeit und die Klassenfahrt ´89
Es war Sommer ´89 und wir traten unsere Klassenfahrt nach England, genauer gesagt nach Brighton an. Wir waren mit der Parallelklasse unterwegs und das machte zusammen ca. 40 pubertierende, pickelige, partysüchtige Jugendliche. Die meisten von uns waren das erst Mal ohne Eltern unterwegs. Wir waren in Hochstimmung. Uns gehörte die ganze Welt. Ok, erst mal mussten wir nach England fahren. Natürlich mit dem Bus. Und das waren keine Luxusbusse. Auf die Boardtoilette traute sich keiner, da der Busfahrer weder die Spur halten konnte, noch die Toilette geruchsneutral war. Kein Wunder, bei dem Geschaukel hatte man wirklich Schwierigkeiten den Pott zu treffen. Ja auch als Frau/Mädchen, denn auf so ein verseuchtes Ding hätte ich mich niemals hingesetzt. Die Fahrt wurde also lang und nach den ersten 200 Kilometern wurde den ersten langweilig und die meisten schliefen fast die ganze Fahrt über. Als wird endlich nach zig Stunden Fahrt in Brighton ankamen, sahen die meisten aus wie Zombies auf LSD. Nun ja, eine Mütze Schlaf in einem anständigen Bett und eine Dusche würde aus uns schon wieder vorzeigbare Menschen machen.


[Bildquelle: aboutpixel.de/©Moritz Mehrlein]

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frauaehrenwort, Dienstag, 19. August 2008, 18:39
Direkt nach unserer Ankunft wurden wir auf die Gastfamilien aufgeteilt. Unsere fünfer Clique wurde drei zu zwei aufgeteilt und ich durfte mit der dicken Nina zusammen in eine Familie. OK, Nina war nett, aber halt nicht cool. Das war schon mal das erste Manko. Aber egal, wir würden eine wilde Zeit haben. Der Strand war nur 10 Minuten Fußweg von unserer Gastfamilie entfernt und unterwegs gab es reichliche Einkaufsmöglichkeiten.


[Bildquelle: aboutpixel.de/© Dr. fite]

Der erste Abend sollte mit der Familie zwecks kennenlernen stattfinden. Als Begrüßung hatte unsere Gastmutter extra gekocht. Das tat sie sonst nie und es war dem Essen auch anzusehen. Es sah aus wie Durchfall und schmeckte auch nicht besser. Wir würden uns also die nächsten zwei Wochen von Fish & Chips ernähren. Nich´schlimm. Die nächsten Tage wurden also mit Sightseeingtouren vollgestopft. Die Nachbarorte wurden abgeklappert und dann kam der Tag an dem wir nach London fuhren. LONDON!! Wie cool! Die Weltstadt überhaupt! Wir rannten in Soho die Straßen rauf und runter und versuchten extrem coole Doc Martens zu finden. Wir nannten Sie ganz cool nur Docs. Und die Schallplattenläden natürlich. Stundenlang wühlten wir da herum. Mein Bruder hatte mich beauftragt sämtliche Originalpressungen von Adam & the Ants zu erstehen. OK, das tat ich auch und dabei habe ich noch den Verkäufer beschissen. Ich war fest davon überzeugt, dass ich die Scheiben mit einer 20 Pfund Note bezahlt hatte, der Verkäufer gab mir aber nur auf 10 Pfund raus. Nachdem ich im Laden ein riesiges Theater gemacht hatte, bekam ich meiner Meinung nach das richtige Wechselgeld. Im nächsten Laden fand ich dann die 20 Pfund Note in meiner Tasche. Ups, na ja egal, so kommt man zu ein bisschen extra Geld. Wir besuchten die Baker Street, den Piccadilly Circus, Big Ben und und und. Wir verbrachten einen Haufen schöner Tage. Vor allem weil das Wetter fast durchgehend sonnig und warm war. Das Glück war also auf unserer Seite.


[Bildquelle: aboutpixel.de/© Rinka]

Eines abends schlugen die Lehrer vor, dass wir ein Lagerfeuer am Strand machen sollten, Die Gasteltern sollten uns Fresspakete für ein Picknick mitgeben und wir organisierten noch Getränke (unsere Jungs hatten irgendwo Bier aufgetrieben) und Decken und dann machten wir es uns am Strand gemütlich. Das Bier war natürlich noch in unseren Rücksäcken versteckt und wartete darauf, dass die Lehrer endlich nach Hause gingen. Ich hatte in meinem Rucksack also drei Dosen Cola und drei Dosen Bier. Dutch Lager (es war ekelig, aber was soll´s) Kurz vor Aufbruch der Lehrkörper griff ich in meinen Rucksack und macht mir noch eine Coladose auf. So glaubte ich zumindest. Meine Freundin starrte mich plötzlich mit großen Augen an und quiekte leise. Mist, ich hatte natürlich die Bierdose erwischt. Hey ich war 15. Das hätte eine Menge Ärger gegeben. Also ließ ich die Bierdose schnell wieder in meinem Rucksack verschwinden bis die Pauker endlich weg waren, denn dann ging die Strandparty richtig los. Das Bier floss in Strömen und die Jungs wurden immer frecher. Ganze 5! Jungs hatten wir in unserer Klasse. Und da waren ja noch nicht einmal hübsche Kerle mit bei, aber hey, man konnte sich die ja auch für den einen Abend schön saufen. Und das ging in dem Alter recht fix. Nach einer Dose Bier gingen bei mir schon die Lampen an. Als mich Olli dann noch in den Hintern kniff und dann weglief, rannte ich natürlich hinterher. Und dann passierte es. Ich stolperte über etwas und fiel mit der Schnauze auf ein Drahtseil. Olli bliebt auf Grund meines gellenden Schmerzenschreis stehen und kam zurück. Erst weiteten sich seine Augen, dann wurde er blass und ich hörte nur noch ein geflüstertes Scheisse. Ich fasste mir ins Gesicht und versuchte in der Dunkelheit und bei meiner Benommenheit irgendetwas zu sehen. Etwas Feuchtes lief an meinem Kinn runter und tropfte mir in den Kragen. Ich blutete wie Sau. In dem Moment wo ich das Blut erblickte wurde mir schlagartig schlecht und ich wurde ohnmächtig. Die Jungs versuchten mich abwechseln nach Hause zu schleppen, da ich nicht mehr in der Lage war zu Laufen. Ich hatte mir auch noch den Fuß verstaucht. Ein schöner Abend war das. Zu Hause bei den Gasteltern angekommen setzten mich die Jungs einfach auf die Treppe und verpissten sich. Diese Feiglinge. Zum Glück war keiner Zu Hause und so kroch ich mit Ninas Hilfe nach oben ins Badezimmer und wusch mir das Blut ab. Na so schlimm sah das dann gar nicht mehr aus. Oke, die Lippe war ein wenig dick und irgendwas war am Zahnfleisch auch nicht in Ordnung und meine Oberlippe färbte sich auch langsam blau, aber ich hatte mir das alles viel, viel schlimmer vorgestellt. Während ich mich säuberte versuchte Nina etwas zum desinfizieren zu finde. Kein Alkohol und auch keine Mundspülung war im Haus zu finden. Gibt es denn so was? Engländer und kein Alkohol im Haus? Vielleicht hatten die den Alk auch nur versteckt? Keine Ahnung, jedenfalls kam Nina dann mit einem Salzstreuer um die Ecke und meinte, dass Salz doch auch desinfizierend wirke. Oke, also schüttete ich mir das Salz auf die Hand und rieb mir damit das Zahnfleisch ab. Doofe Idee, ganz doofe Idee. Das hat gebrannt wie fünf Höllen. Ich wäre beinahe wieder ohnmächtig geworden. Man sagt ja auch nicht umsonst Salz in die Wunden streuen. Blöde Kuh. Nun ja, ich war bedient und wollte nur noch schlafen. Das tat ich dann auch.


[Bildquelle: aboutpixel.de/© Jan Gropp]

Der nächste Morgen war schlimm. Ich konnte mich kaum rühren. Jeder Muskel tat mir weh. Nach einiger Zeit raffte ich mich hoch und schlurfte ins Badezimmer. Als ich in den Spiegel blickte, fielen mir auch wieder die Ereignisse des Vorabends ein. Meine Lippe war blau und angeschwollen, über dem oberen Schneidezahn fehlte ein Stück Zahnfleisch, d.h. es war noch irgendwie da, hing aber an nur noch einem Faden runter und am unteren Ende des Scheidezahns war eine feine, dünne Risslinie zu erkenne. Ganz zu schweigen von den hundert blauen Flecken am restlichen Körper. Die hatte ich wohl den Jungs zu verdanken. Man, so schwer war ich auch nicht. Mit 15 Jahren wog ich mal gerade 45 KG und das bei 1,60m. Luschen die. Na ja. Die nächsten Tage hielt ich mich von den Lehrern fern und aß nur noch Suppen und Brei. Ich hatte eine Höllenangst, dass mir der Zahn ganz abbrach. Ich die Schönheit schlechthin und dann ein abgebrochener Zahn? Nee das ging nicht. Also passte ich auf. Und siehe da, der Zahn hielt. Na ja, bis zum letzten Jahr. 18 Jahre später brach der Zahn ab. Einfach so. Auf einmal knirschte es in meinem Mund und der Zahn war kürzer. Oke, alle anderen haben behauptet, dass man nix sehen könnte. Maximal sei 1 Millimeter vom Zahn weg, aber mir kam es vor wie der halbe Zahn. Und die Bruchstelle war auch noch tierisch scharf. Also bin ich am nächsten Tag ganz hysterisch bei meinem Zahnarzt aufgetaucht und bat um Reparatur. Ja gut, er ging einmal mit seinem Schleifgerät über den Zahn und die Sache war gegessen. Zu sehen ist wirklich kaum was. Für andere natürlich nur. Ich sehe da einen total verstümmelten Zahn in meiner Kauleiste und nun sitze hier und könnte schwören, dass der Zahn schon wieder so scharfkantig ist. Wäre ich doch vor 18 Jahren nur nicht auf diese blöde Stahlseil geknallt.

rho01, Dienstag, 19. August 2008, 23:06
*pics please* :)

Adam & the ants... omg.... Dein Bruder gehört auch heute noch dafür mit Eiswasser bespritzt.. *schauder*

btw: Warum schreibst Du nicht öfters lange Stories, sie lesen sich gut.

frauaehrenwort, Dienstag, 19. August 2008, 23:15
Wie? Bilder von meiner Zahnruine? Sind Sie verrückt. Nee, dazu bin ich viel zu eitel.

Ja und mit Adam Ant wurde ich meine ganze Kindheit durch gequält. Noch schlimmer fand ich aber die Heulboje Kate Bush. Die ging und geht auch Heute nicht.

Und warum ich solche langen Geschichten nicht öfters schreibe? Ganz einfach, ich bin zu faul und zu ungeduldig und dann frage ich mich, ob das überhaupt irgendeinen interessiert. Aber so hin und wieder werde ich wohl man ein paar Storys erzählen.

rho01, Mittwoch, 20. August 2008, 11:06
Sirene Kate Bush. *schauder*

*foppen anfang* Ach was Zahnruine, dass ist vermutlich nur so ein MiniMiniMini-Sparren, den man ohne Lupe und 5 Millimeter Abstand zum Gebiss kaum wohl sieht. *foppen ende*

Mich interessiert es und außerdem sind hin und wieder lange Geschichten sehr nett. :)

frauaehrenwort, Mittwoch, 20. August 2008, 12:01
Na ja, ich werde mal versuchen das Desaster Heute Abend zu fotografieren.

Schön, dass Sie mein Geschreibsel interessiert. Wenn mir mal wieder was hübsches einfällt, werde ich auch wieder eine längere Story schreiben.