Geburtsbericht Nr. 2
Es ist März. Seit dem 10. März 2012 weht es gelegentlich vor sich hin. Jeden Abend fangen die Wehen früher an und dauern immer genau bis Mitternacht. Dann ist der Spuk vorbei. Jeden Abend. Es wird langsam nervig. Ich freue mich jedes Mal, dass es losgeht und dann wieder nix. Das geht die ganze Woche so. Dann ist es Freitag der 16. März. ET und die Wehen gehen schon den ganzen Tag. Sie werden gegen Abend stärker und regelmäßiger. Die liebste Fio hat mit ihrem Krümel das Kügelchen auf den Spielplatz entführt und kommen am späten Nachmittag heim und sie spielen noch alle im Sandkasten und ich wehe weiter vor mich hin. Nach einiger Zeit erscheint das Oppossum (Der Lebensgefährte der liebsten Fio) ich bin erstaunt, denn er war gar nicht angekündigt, aber ich freue mich. Ich mache für alle Abendbrot und irgendwann kommt auch endlich der Gatte nach Hause. Wir wehen derweil weiter vor uns hin. Die Wehen verändern sich und ich bin mir sicher, dass die jetzt nicht mehr weg gehen. Wir essen zu Ende, der Gatte bringt das Kügelchen zu den Großeltern und wir ruhen uns aus. Die Wehen kommen gegen 10 Uhr so alle sieben Minuten und wir entschließen uns Richtung Klinik zu fahren.

In der Klinik wird gleich ein CTG geschrieben und ich werde untersucht. Die Wehen sind zwar schon ganz gut, aber das Baby ist nicht im Becken und der Muttermund ist immer noch nur fingerdurchlässig. Es wird klar, dass ich zwar nicht mehr nach Hause soll, aber in den nächsten Stunden wird das Kind noch nicht kommen. Man vermisst das Kind und es wird klar, dass es auch mehr als 3500 Gramm wiegt. So ein Mist. Am Morgen will man die Wehen mit einem Gel verstärken. Also fährt der Gatte nach Hause und ich versuche zu schlafen. Geht aber nicht. Die Wehen halten mich wach und die Zimmernachbarin hat schon das Baby und das schreit natürlich auch die halbe Nacht, weil es Hunger hat, aber die Mutter noch keine Milch. Und ich sollte mich ausruhen und Kraft sammeln. Nun ja, dann eben nicht.

Am nächsten Morgen stehe ich um 8 Uhr im Kreißsaal und ich bekomme das Gel. Nach ein paar Stunden werden die Wehen stärker und ich puste vor mich hin. Am Nachmittag bekomme ich die zweite Ladung Gel, doppelte Dosis, und die Wehen werden richtig stark. Zu schnell zu stark für mein Empfinden. Ich soll auf dem Zimmer bleiben und abwarten. Die Bettnachbarin hat derweil ungelogen 20 Leute zu Besuch. Ich kann mich auf nichts konzentrieren, fühle mich wie nackt und den Leuten ausgeliefert. Ich denke mir wie kann man so unsensibel sein und das nicht merken. Ich fange an zu heulen. Ich kann die Wehen nicht mehr veratmen und ich kriege die Krise und heule richtig los. Die Leute verlassen endlich das Zimmer und eine Schwester ist der Meinung, dass ich besser im Kreißsaal aufgehoben bin. Wir wackeln los. Ich kann vor Lauter Wehen kaum laufen. Alle zwei Minuten kommen sie, aber sie sind zu kurz, richten nichts aus. Die nächste Untersuchung ergibt immer noch ein fast geschlossener Muttermund und das Baby sitzt immer noch auf dem Becken. Es kann mal wieder nicht ins Becken rutschen. Die Hebamme sagte schon am Freitag Abend, dass das Kind da nicht durch passen wird und es scheint sie behält recht. Es ist Samstag später Abend und die Wehen schlauchen. Ich habe starke aber kurze Wehen und liege am CTG und will lieber aufstehen. Aber man lässt mich nicht. Dabei heißt es doch man soll so lange wie möglich stehen und gehen. Ich werde sauer. Ich kann nicht mehr liegen. Man hängt mir ein Schmerzmittel an und dann darf ich doch aufstehen und wanke auf Toilette. Nach dem Toilettengang geht es mir schlagartig besser, aber das Kind ist weiter sehr weit oben. Kurz von 23 Uhr kommt die Ärztin. Ich bin deprimiert, denn mir wird klar, dass ich es auch dies Mal nicht schaffen werde, das Baby auf normalen Wege zu bekommen. Die Ärztin ist Russin und sehr rüde in ihrem Verhalten. Sie mault mich an und will eine Entscheidung von mir. Kaiserschnitt jetzt oder warten und versuchen, allerdings ist sie der Meinung, wenn ich die ganze Nacht alle zwei Minuten Wehen habe, dann halte ich das bis zum Morgen nicht durch. Der Gatte ermutigt mich den Kaiserschnitt zu wählen und erinnert mich daran wie kaputt ich nach der ersten Geburt war. Ich heule schon wieder und wähle den Kaiserschnitt. Dann geht alles ganz schnell. Das OP Team wird zusammengetrommelt. Ich werde für die OP vorbereitet, bekomme ein Mittel für den Magen (warum auch immer), Flüssigkeit wird angehängt und als ich fertig bin geht es los zum OP. Ich liege im Bett und werde über die Flure gefahren. Licht an, Licht aus. Ich habe ein deja-vu. Vor 2,5 Jahren hatten wir das schon mal, aber da war ich schon so weggetreten, dass ich Erinnerungslücken hatte. Diesmal bin ich völlig klar und auch wenn ich weiß, dass mir gleich der Bauch aufgeschnitten wird und ich die nächsten Tage wahnsinnige Schmerzen haben werde, bin ich total ruhig. Der Narkosearzt empfängt mich im OP. Ich werde auf den OP Tisch gewuchtet und darf mich erstmal auf die Seite legen. Man ölt an mir um, legt neue Zugänge, da der alte Zugang nicht funktioniert und mir die Flüssigkeit unter die Haut läuft und eine hübsche Beule hinterlässt. Der Anästhesist macht sich an die Arbeit. Erst betäuben, dann die Rückenmarksnarkose legen. Im Liegen ist das sogar recht angenehm. Der Katzenbuckel bei Emi war furchtbar. Die Narkose läuft ein und ich merke wie alles anfängt zu kribbeln. Das rechte Bein wird heiß und ich habe kurz Angst, dass was schief gehen kann, aber der Arzt beruhigt mich. Da ich auf der rechten Seite liege, wirkt das Mittel dort erstmal stärker. Ich bin nun opbereit und es geht los. Tücher werden auf gehangen, der Blutdruck wird ständig überwacht, die Pulsklemme wird angeschlossen und ich höre meinen eigenen Puls. Er schlägt ruhig und regelmäßig. Ich bin immer noch entspannt und so langsam werde ich sogar müde und würde gerne eine Runde schlafen. Der Arzt spritzt mir dennoch ein Beruhigungsmittel und ich höre plötzlich nichts mehr. Ich sage das dem Arzt und er spritzt was dagegen und ich kann sofort wieder hören und bin klar im Kopf. Wir fangen an rumzuwitzeln. Er fragt immer wieder warum ich so ruhig bin, und dann gehts los, ich werde doch nervös. Ich weiß, dass ich gleich mein Baby sehen werde und der Puls wird schneller. Der Arzt meint, dass er noch was spritzen kann, ich lehne aber ab. Ich sage noch "Hauptsache Sie bleiben cool." Er meint er ist immer cool. Ich werde großzügig mit Desinfektionsmittel eingeschmiert und der Gatte erscheint endlich an meinem Kopfende. Man, ich denke noch sieht der sexy aus in dem grünen Dress und ich freue mich ihn zu sehen. Sie fangen an zu schneiden und ich werde wieder herumgerüttelt wie in einer Waschmaschine im Schleudergang. Ich werde immer müder und schlafe fast ein. (Der hat doch garantiert heimlich weiter Beruhigungsmittel gespritzt) Ich versuche mich zu konzentrieren und versuche den Unterhaltungen der Ärzte zuzuhören. Aber so richtig kann ich sie nicht verstehen und dann hören wir den ersten Schrei der Zwuckelina! Der Gatte und ich weinen. Das erste was ich höre ist die Ärztin die ruft "Man hat die viele Haare!" Ich heule wieder und will mein Baby sehen. Ich sehe wie man sie in den Nebenraum bringt, sie ein wenig abrubbelt, das Fruchtwasser absaugt und warm eingepackt. Der Gatte ist bei ihr. Dann wird sie mir gebracht und sie liegt auf meiner Brust. Ich darf sie ein wenig halten, der Gatte hält auch fest, da ich ja sehr kraftlos bin. Ich küsse dieses süße Gesicht und sehe sofort, dass sie meine Lippen hat. Ich küsse diesen kleinen Mund und bin glücklich. Der Gatte und das Baby machen sich auf den Weg in den Kreißsaal und ich werde wieder zusammen genäht und ich schlafe ein wenig. Zwischendurch kommt immer mal wieder jemand zu mir und gratuliert mir und ich werde wieder wach. Wie lange ich im OP war kann ich gar nicht sagen, aber nachdem ich wieder im "Originalzustand" bin, werde ich zurück in den Kreißsaal gebracht. Der Gatte kuschelt dort mit dem Baby und die Kleine wurde schon geduscht und darf jetzt bei mir in den Arm. Ich kann mich kaum bewegen, aber ich darf sie gleich stillen und sie trinkt gierig los. Ein Naturtalent wie die Große! Diese Finger, diese Lippen, diese Haare. Sie sieht der großen Schwester ähnlich und wir sind super glücklich. Alles dran, alles drin und mir geht es ganz gut. Wir rufen meine Eltern an, es ist halb zwei glaube ich. Dann rufen wir Fio an und sagen ihr, dass sie jetzt Tante ist. Wir weinen ein bisschen und den Rest der Nacht verbringe ich alleine im Zimmer, denn ich bin zu alle, um mich um das Baby zu kümmern. Am Morgen bringt man mir das Kind zum stillen und mir geht es ganz gut. Das Schmerzmittel wirkt gut und am Mittag unternehmen wir den ersten Versuch aufzustehen. Dieser Versuch scheitert, da ich das Gefühl habe mir zerreißt der Bauch. Wir vertagen den Versuch auf Nachmittag. Am Nachmittag bekomme ich Schmerzmittel und nach einer halben Stunde kann ich im Schneckentempo aufstehen. Ich wackel mit der Schwester auf Toilette und darf mich waschen und was frisches anziehen. Danach bin ich alle und muss mich ausruhen, aber von Tag zu Tag geht es mir besser und am 6. Tag verlassen wir das Krankenhaus.

Im Nachhinein muss ich sagen, dass wir die richtige Wahl getroffen haben und wir sind glücklich zwei gesunde Kinder zu haben.

Die Daten waren 3750 Gramm, 51 cm und 34,5 cm Kopfumfang. Der Kommentar des Arztes zur U2 war Bilderbuchbaby :-) Am Entlassungstag hatte das Baby schon wieder zugenommen und am 9. Tag hatte sie ihr Geburtsgewicht wieder erreicht und entwickelt sich weiter prächtig. Sie trinkt gut und schläft auch mehr als 3 Stunden am Stück. Ich hoffe das bleibt alles so.
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1000sonnen, Samstag, 31. März 2012, 05:43
Frau Ährenwort,
ich lese schon lange immer wieder bei Ihnen, aber heute muss ich auch mal kommentieren. Geburtsberichte finde ich immer sehr spannend und berührend, Ihrer besonders, da er mich sehr an meinen eigenen erinnert! Bei uns lief es mit 2 Kaiserschnitten sehr ähnlich, bin zwar im Nachhinein auch froh über die Entscheidung, trotzdem bleibt immer ein Rest Wehmut...
Mit besten Grüßen und Wünschen für die ganze Familie!